Rainer Maria Rilke - Kurzbiografie
* 04.12.1875 - in Prag, Österreich-Ungarn
† 29.12.1926 - in Val-Mont (bei Montreux), Schweiz
1875, am 4. Dezember, wird Rainer Maria Rilke als René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke in Prag geboren. Die Eltern sind Sophie Rilke (geboren 1851), geborene Entz, und Josef Rilke (geboren 1838). Der Vater ist ein Beamter bei der Eisenbahn. Die Mutter entstammt einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie.
1884 Die Eltern trennen sich, das neunjährige Kind bleibt für zwei Jahre bei seiner Mutter.
1886–1890 besucht Rilke auf Geheiß des Vaters die Militär-Realschule St. Pölten. Er soll auf eine Offizierslaufbahn vorbereitet werden. Rilke schreibt seine ersten Gedichte.
1890–1892 Rilke setzt seine Schullaufbahn an der Militär-Oberrealschule in Mährisch-Weißkirchen fort. 1891 wird er aus gesundheitlichen Gründen entlassen. Bis 1892 Unterricht an der Handelsakademie in Linz sowie Privatunterricht in Prag zur Vorbereitung auf das Abitur.
1894 Rilkes erster Gedichtband „Leben und Lieder“ erscheint.
1895 Rilke weicht endgültig von der Offizierslaufbahn ab und strebt ein Leben allein als Schriftsteller an. Im Wintersemester beginnt er das Studium der Kunst- und Literaturgeschichte sowie der Philosophie in Prag. Es führt ihn nach München und Berlin. Sein zweiter Gedichtband „Larenopfer“ erscheint.
1896 Aufführung von „Jetzt und in der Stunde unseres Absterbens“. Beginn des Studiums in München.
1897 begegnet er Lou Andreas-Salomé (1861—1937). Er verliebt sich in die 14 Jahre ältere Frau. Im Oktober des Jahres 1897 folgt der 22-jährige Rilke Lou nach Berlin. Im selben Jahr erscheint „Traumgekrönt“. Das Drama „Im Frühfrost“ wird uraufgeführt. Auf Vorschlag von Lou ändert er seinen Namen in Rainer Maria Rilke. „Das Stundenbuch“ trägt die Widmung: „Gelegt in die Hände von Lou“.
1898 reist Rilke. Er schreibt das „Florenzer Tagebuch“ und beginnt „Das Schmargendorfer Tagebuch“. „Advent“, „Am Leben hin“ und „Ohne Gegenwart“ werden veröffentlicht.
1899 reist er mit Lou und ihrem Mann Carl Friedrich Andreas nach Russland1. Es wird eine Erfahrung, die ihn sein Leben lang prägt. Das Land, die Menschen, die „russische Seele“ beeindruckten ihn tief. Er wird später sagen, sie seien ein Fundament seiner Dichtung geworden. Nach der Reise lebt er in Berlin. Im Herbst entsteht die erste Fassung der „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“. Der „Cornet“ wurde eines seiner bekanntesten Werke. „Zwei Prager Geschichten“, „Mir zur Feier“ und „Die weiße Fürstin“ werden veröffentlicht.
1900 unternimmt Rilke die zweite Russlandreise mit Lou, diesmal fahren die beiden allein. Er begegnet Tolstoi. Gegen Herbst folgt er einer Einladung des Malers Heinrich Vogeler in die Künstler-Kolonie Worpswede, behält aber seine Wohnung in Berlin bis 1901. Er beginnt das „Worpsweder Tagebuch“. „Vom lieben Gott und Anderes“ wird veröffentlicht.
1901 Am 28. April heiratet er die Bildhauerin Clara Westhoff (1878—1954), die er in Worpswede kennen lernte. Am 12. Dezember kommt die Tochter Ruth zur Welt (1901—1972). Er schreibt weiter am „Stundenbuch“. „Die Letzten“ wird veröffentlicht. „Das tägliche Leben“ wird uraufgeführt.
Rilke mit Clara Westhoff-Rilke
1902 lebt Rilke mit seiner Frau und seiner Tochter in Westerwede. Das Ehepaar trennt sich in diesem Jahr. Rilke sah sein Schaffen, seine Einsamkeit bedroht (Schiller sagte einmal, die Frau eines Künstlers müsse „die Hüterin seiner Einsamkeit“ sein; Rilke gebraucht den Begriff „Wächterin“2) Von dem Breslauer Kunsthistoriker Richard Muther erhält er den Auftrag für eine Monografie über den Pariser Bildhauer Auguste Rodin. Ab Oktober arbeitet er als dessen Sekretär und schreibt nicht nur für, sondern auch über ihn. Rilke vermerkt: „Mir ist, ich lerne jetzt erst Bilder schauen.“3 Das klingt durchaus ein wenig nach der der Passage „Ich lerne sehen.“ in „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“. „Das tägliche Leben“ und das „Buch der Bilder“ werden veröffentlicht.
1903 reist Rilke nach Italien und in Frankreich. Er schreibt weiter am „Stundenbuch“. Das „Worpsweder Tagebuch“ und „Auguste Rodin“ werden veröffentlicht.
1904 lebt Rilke bis Juni in Rom. Für den Rest des Jahres hält er sich in Dänemark und Schweden auf. Er beginnt die „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“, in denen er seine Paris-Erfahrungen verarbeitet. Die zweite Fassung der „Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ erscheint.
1905 trifft er den Verleger Anton Kippenberg und beginnt die Zusammenarbeit mit dem Insel-Verlag. Das „Stundenbuch“ erscheint.
1906 Am 14. März stirbt der Vater in Prag. Das „Buch der Bilder“ wird in einer zweiten Auflage gedruckt.
1907 reist Rilke, u.a. nach Capri. Die „Neuen Gedichte“ erscheinen im Dezember.
1908 lebt Rilke wieder auf Capri. Im November schreibt Rilke die Requien für Paula Modersohn-Becker („Für eine Freundin“) und für Wolf Graf von Kalckreuth. Das Requiem für den verstorbenen Grafen schließt mit der berühmten Wendung: „Wer spricht von siegen? Überstehn ist alles.“ „Der neuen Gedichte anderer Teil“ erscheint.
1909 wohnt Rilke in Paris. Er lernt die Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe (1855—1934) kennen.
1910 folgt Rilke einer Einladung der Fürstin auf das Schloss Duino4, wo er bis 1912, unterbrochen von ein paar Reisen, bleibt. Die „Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ erscheinen. Dies bleibt Rilkes einziger Roman. Seine sonstige Prosa (z.B. „Die Turnstunde“, 1902) findet man in seinen Briefen. Der „Malte“ ist ein Tagebuch ohne durchgängige Handlung, in lyrischer Sprache. Er ist auf menschliche Weise schrecklich. Rilke sagt in einem Brief, er sei wie eine negative Form, aus der sich, wenn man sie denn ausgösse, etwas Wunderbares ergibt.
1912 entstehen die beiden ersten „Duineser Elegien“. Den berühmten Auftakt „Wer, wenn ich schrie, hörte mich denn aus der Engel / Ordnungen?“ hat er, wie er sagt, während eines Gangs hinunter an das Meer gehört. Er lebt einen Teil des Jahres in Venedig. Eine Spanienreise führt ihn nach Toledo, Cordoba und Sevilla.
1913 hält er sich zunächst in Ronda (Spanien) auf. Dort gibt es heute die Fahrschule „autoescuela Rilke“. Ob das ihm gefallen würde, darf bezweifelt werden, da Rilke gerne barfuß ging. Er lebt wieder in Paris. Das „Marienleben“ wird veröffentlicht.
1914 wohnt er in Paris, bleibt aber bei Kriegsausbruch während einer Deutschlandreise — unbeabsichtigt — im Land zurück.
1915 erfolgt die Musterung zum Militärdienst. Im November entsteht die vierte Duineser Elegie.
1916 arbeitet Rilke ein halbes Jahr im Kriegsarchiv in Wien. Er wurde nur für bedingt tauglich befunden, und deshalb dorthin versetzt.
1917 und 1918 lebt er wieder in München.
1919 führt ihn eine Vortragsreise durch die Schweiz.
1920 reist er wieder nach Venedig, und lebt Ende des Jahres in Berg am Irschel bei Zürich.
1921 entdeckt Rilke das Chateau de Muzot bei Sierre im Wallis für sich. Seine Förderer, die Brüder Reinhart, mieten es zunächst und kaufen es später für ihn. Es wird sein „Elfenbein-Turm“: Das „Schloss“ (frz. „Chateau“) besteht nur aus dem Turm, in welchem Rilke die Elegien und die Sonette schreibt; als Abschluss der Elegien wendet er sich an Marie von Thurn und Taxis mit folgenden Worten „Gott weiß, wer mich genährt hat“5. Die alltäglichen Besorgungen lässt er von seiner Freundin Nanny Wunderly-Volkart erledigen, bittet und dankt auf seine eigene Art in Briefen, für die er auch spezielles Papier will. In der Schweiz verbringt Rilke den Rest seines Lebens. Seit 1971 gibt es dort die »Internationale Rilke-Gesellschaft« (Sitz: Bern, http://www.rilke.ch/) mit zur Zeit rund 350 Mitgliedern aus 22 Ländern. Sie veranstaltet alle zwei Jahre eine Tagung, die aus Vorträgen, Lesungen und Exkursionen besteht. Sie findet jeweils an einem Ort statt, der das Leben ihres Namensgebers entscheidend geprägt hat.
1922 vollendet Rilke nach langer und schmerzlich empfundener Schaffenspause, die 1912 begann, im Februar die „Duineser Elegien“ und schreibt alle „Sonette an Orpheus“ Er trägt damit zur Weltliteratur bei. Schloss Dunio wurde im 1. Weltkrieg größtenteils zerstört. Seine Tochter Ruth heiratet im selben Jahr Dr. Carl Sieber. Rilkes Leben wird ab nun immer stärker von Krankheit überschattet.
1923 werden die „Duineser Elegien“ und die „Sonette an Orpheus“ in „der Insel“ veröffentlicht.
1924 reist Rilke durch die Schweiz und schreibt weitere Gedichte. Er wird nun regelmäßig in Sanatorien behandelt, doch man kann seine Beschwerden nur lindern.
1925 reist Rilke letztmalig nach Paris. Ende des Jahres lässt er sich erneut im Sanatorium Val-Mont bei Montreux behandeln.
1926 verbringt er noch bis Ende Mai in Val-Mont. Seine Krankheit wird endlich als seltene Form der Leukämie erkannt. Rilke reist ein letztes Mal, nach Lausanne und Veyvey. Im Dezember begibt er sich wieder nach Val-Mont. Hat das Rosenblatt schon den Cornet nicht beschützen können, so trifft es dessen Schöpfer noch härter: Der Dichter sticht sich beim Schneiden seiner selbst gezogenen Rosen und bekommt aufgrund der Entzündung der Wunde die Hände verbunden. Die Rose, eine Metapher, die den Silbenkonfektionär ein Leben lang in verschiedensten Ausprägungen begleitete, hat so gesehen auf zweifache Weise das letzte Wort: Auf Rilkes Grabstein steht, wie er es selbst im Testament verfügte: „Rose, oh reiner Widerspruch, Lust, niemandes Schlaf zu sein unter so vielen Lidern.“6
Rilke stirbt am Morgen des 29. Dezembers.
1927 wird Rainer Maria Rilke am 2. Januar auf dem Friedhof von Raron beigesetzt.
1Rilke. Überzähliges Dasein. Eine Biografie, Fritz J. Raddatz, Arche 2009, S. 143
2
Eine gute Ehe ist die,
in der der eine den anderen zum Schutzengel
seiner Einsamkeit bestellt.
Ein Miteinander zweier Menschen ist eine Unmöglichkeit und,
wo es doch vorhanden scheint, eine Beschränkung,
eine gegenseitige Übereinkunft,
welche einen Teil oder beide Teile ihrer vollsten Freiheit und Entwicklung beraubt.
Von einem Unverheirateten erwartet man nicht,
dass er "glücklich" ist -
wenn er aber heiratet, sind die Menschen aufs höchste erstaunt, wenn er es nicht ist.
3http://www.focus.de/kultur/medien/museen-rodins-sekretaer_aid_159525.html
4Das Schloss wurde im Ersten Weltkrieg größtenteils zerstört, kann aber heute noch besichtigt werden. Und der literaturinteressierte Urlauber kann auch den »Sentiero Rilke« ,den »Rilkeweg«, gehen. (http://www.turismofvg.it/Schlösser/Schloss-Duino)
5http://gutenberg.spiegel.de/buch/823/56
6Rilke. Überzähliges Dasein. Eine Biografie, Fritz J. Raddatz, Arche 2009, S. 124