Rilke heute
Wo findet er heute noch statt?
Immer wieder „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“ …
Was haben Gerhard Schröder und Lady Gaga gemeinsam?
Sie zitieren Rilke. Lady Gaga (bürgerlich: Stefani Joanna Angelina Germanotta) gibt an, sich täglich mit Rilke zu befassen und sie ließ sich sogar einen Auszug aus einem Brief an den jungen Dichter Franz Xaver Kappus auf den Oberarm tätowieren: „Prüfen Sie, ob er in der tiefsten Stelle Ihres Herzens seine Wurzeln ausstreckt, gestehen Sie sich ein, ob Sie sterben müssten, wenn es Ihnen versagt würde zu schreiben. Dieses vor allem: Fragen Sie sich in der stillsten Stunde Ihrer Nacht: Muss ich schreiben?“, auch eine Art Kunstwerk. Schröder hingegen trug „Herbsttag“ unter anderem bei seinem Antrittsbesuch in Frankreich 1998 und noch 2004 bei „Beckmann“ öffentlich vor. Sein Lieblingsgedicht ist „Der Panther“. Eine ähnliche Gemeinsamkeit lässt sich bei der ehemaligen FDP-Politikern Hildegard Hamm-Brücher und dem Moderator Thomas Gottschalk feststellen: Beide leben ihr Leben in „wachsenden Ringen“ (Buch vom mönchischen Leben, 1899).
Aber nicht nur Größen aus Politik und Showbusiness beschäftigen sich mit Rilke, auch im Sport kommt er zur Sprache: Oliver Kahn interpretiert auf die Frage eines Journalisten Rilkes Gedicht „Der Panther“ aus seinem ganz eigenen Blickwinkel: Er bewege sich in einem symbolischen, psychologischen Käfig, im Gegensatz zum Tier, dessen „großer Wille“ hinter echten Gitterstäben „betäubt“ werde.
Und der Bahnradfahrer René Wolff (man beachte die Namensähnlichkeit) trägt den Gedichtanfang „Du musst das Leben nicht verstehen“ (1898) in japanischen Schriftzeichen als Tattoo, so schließt sich der Kreis zu Lady Gaga.
Das „Rilke-Projekt“
Der Satz „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“ bildet auch auch den Startpunkt für das „Rilke-Projekt“: Der Komponist Richard Schönherz hat ihn als Zeitungsausriss an seinem Keyboard befestigt. Seine Kollegin und Freundin Angelica Fleer entdeckt ihn und sie beginnen über eine Verbindung von dem Dichter aus dem Fin de Siècle und heutigen Künstlern zu experimentieren. (Die Zeile „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“ gehört später zu einem Duo aus Mario Adorf und Monteserrat Caballé.) Das war übrigens in Bolinas, an der Küste Nordkaliforniens, dorthin war der „Weltenweiter Wandrer“ (Titel des vierten Albums) Rilke nicht gekommen, wohl aber seine Werke.
Die Komponisten zur ersten CD „Bis an alle Sterne“ (Booklet):
„Die von Beginn an positiven Reaktionen aller, die mit unserem Konzept in Berührung kamen, zeigten uns, daß wir mit Rilke offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen haben. Wir ahnten jedoch nicht, welch gigantische Produktion entstehen sollte und wie oft wir noch hören würden: ‚Was, das ist Rilke?’ oder ‚Das ist die Hagen?’ und ‚Wie seid ihr denn auf den Moshammer gekommen?’“
Das Münchner Original mit dem Werk „Liebes-Lied“ ist aber nur einer von über vierzig Prominenten, die an dem äußerst erfolgreichen Konzept mitwirkten. Zu nennen wären ebenfalls Karlheinz Böhm (Ernste Stunde), Udo Lindenberg (Einsamkeit), Sir Peter Ustinov (Ich bin zuhause zwischen Tag und Traum), Jürgen Prochnow (Mein Leben ist wie leise See) und, um der Frankophilie Rilkes entgegenzukommen, Patricia Kaas (Gaben). Mehrmals vertreten sind außerdem Ben Becker, Peter Maffay, Hannelore Elsner, Xaiver Naidoo und Otto Sander, der sich mit „Der Panther“ wohl an eins der bekanntesten Gedichte von Rainer Maria Rilke heranwagte.
Inzwischen umfasst der „poetische Chillout, der süchtig macht.“ (ZDF Leute Heute) vier Einzelalben, ein Best-of-Album, eine Live-CD und einen Reader. 2011 wurde das zehnjährige Jubiläum gefeiert, die dritte CD erhielt Gold und es gibt bereits einen Nachfolger, das „Hesse-Projekt“ mit aktuell zwei CDs.
Konstantin Wecker liest Rilke
Der Prager Sternenfänger ist das Vorbild des Münchner Liedermachers. Seine CD beginnt er mit der Rezitation von „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“. Er begleitet sich selbst am Klavier und lädt die Hörer zu seinen einundvierzig Lieblingsgedichten ein: „Lyrik will gehört werden, und ich rate jedem, der noch keinen rechten Zugang zur Lyrik gefunden hat, sich Gedichten erst mal wie der Musik oder einem Mandala zu nähern, sich ohne Sicherung in die Bilderfluten zu stürzen.“
Da klingt(!) der Beitrag von Xaiver Naidoo zur ersten Rilke-Projekt-CD durch, „Die Dinge singen hör ich so gern“ aus dem Gedicht „Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort“.
Weiterführende Links:
- Ich höre die Stille: 365 Gedanken für die Seele
- 88 Gedichte
- Die Gedichte
- Briefe an einen jungen Dichter [Gebundene Ausgabe]
Quellen:
- Wikipedia about Rainer Maria Rilke
- Rilke Projekt
- Kampf um Anerkennung - Das Bildnis der Bahnradfahrer
- Oliver Kahn und die Dinge des Lebens
- Kahn und die Dinge des Lebens - Titan und Banane
- Thomas Gottschalk im Gespräch - "Ich habe mir mein Leben immer schönmoderiert"
- Hildegard Hamm-Brücher. Lieber Gott, mach, dass es bald zu Ende geht!
- Stoibers Spitzen gegen Beckstein und Huber
- Schröder bei Beckmann "Regieren mit Rilke" (23.11.2004)
- Stilkritik: Lady Gaga - Rilkes größter Fan
Weitere Seiten
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